12. Über die Zeitzonengrenze nach New Brunswick

  


Heute überqueren wir nicht nur die Grenze von Québec nach New Brunswick, sondern auch diejenige einer Zeitzone. Wir müssen die Uhr eine Stunde vorstellen. Von Carleton bis Pointe-à-la-Croix sind es noch knapp 50 km, bevor wir die Provinz Québec über die grosse Brücke nach Campellton verlassen. So erreichen wir das Südufer der Chaleur Bay. Wir wählen weiterhin die Route direkt dem Strand entlang. In Dalhousie finden wir einen kleinen Leuchtturm, dessen Geschichte mit Schautafeln illustriert wird. Nachdem wir zuvor zweimal dieselbe falsche Strasse erwischt haben, verlassen wir die Stadt Bathurst zügig. Strassenschilder sind hier wahrlich ein Luxusartikel und Google-Maps will uns dauernd auf die unerwünschte Autobahn locken. In Grande-Anse ist das Tourist Office ebenfalls in einem kleinen Leuchtturm untergebracht. Zwei kleinere Gebäude, welche zur Anlage gehören, kolorieren das Fotosujet. Unser nächstes Ziel ist die äusserste Landzunge von Akadien, eine Bezeichnung des lokalen ehemals französischen Kolonialgebiets. Dort gibt es ein kleines Bistro mit liebenswertem und neugierigem Personal. Statt mit dem stereotypen "Chuchichäschtli" macht Rigette die junge Frau mit dem etwas einfacheren schweizerdeutschen Wort "Trinkröhrli" bekannt, welches diese flugs aufschreibt und sich dafür bedankt. Wir stehen auf einer Landzunge mit einem Campingplatz und einem schönen Spielplatz  am Strand. Reiher fischen im seichten Wasser, Touristen stechen und sammeln Muscheln, welche als Meeresfrüchte sehr begehrt sind. 










Schliesslich erreichen wir nach knapp 300 km unser Tagesziel, die Auberge de la Baie in Caraquet. Das Wetter treibt seine üblichen Wechselspiele. Wir packen den Schirm ein und suchen ein Speiselokal. Nach dem Nachtessen klart der Himmel auf, sodass wir den Hafen besuchen. Auf einer originell geschnitzten Holzsäule verschmelzen männliche und weibliche Körper anmutig. Ein bissiger Wind lässt die Temperatur von etwa 20° C viel kühler erscheinen. Doch am Tagesende versöhnen wir uns wieder mit dem Wettergott, welcher uns zu guter Letzt noch einen prächtigen Sonnenuntergang erleben lässt.





 

Am nächsten Morgen scheint die Sonne schon früh zum Fenster hinein. Da es in unserer Herberge kein Frühstück gibt, suchen wir eine nahe Bäckerei mit einem kleinen Café auf. Welch tolles Gefühl, wieder einmal eine knusprige Bagette für die Tagesverpflegung kaufen zu können! Heute steht ein Besuch im Village historique Acadien auf dem Programm. Die ganze Anlage erinnert an das Schweizer Freilichtmuseum Ballenberg. Und es ist ebenso weitläufig! Das älteste Haus datiert aus dem Jahr 1773. Danach folgen verschiedene Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Es werden viele historische Geräte gezeigt und Handwerke in der Kleidertracht von damals vorgestellt. Man sieht eine alte Mühle, eine Schmiede, eine Färberei, Spinnräder und eine historische Druckerei für die damalige Lokalzeitung. Auch die Haustierhaltung ist ein Thema, so von Schafen, Hühnern, Enten, Truten, Pferden und Eseln. Kirche, Schulhaus und General Stores dürfen natürlich ebenfalls nicht fehlen.


















Den Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert erlebt man auf einer Holzbrücke. Wer darauf schneller fuhr als sich ein Fussgänger fortbewegte, wurde mit einer Busse von 20 $ bestraft. Im weiteren Verlauf trifft man auf eine Bahnstation, eine Tankstelle, das noble Hôtel Chateau Albert und verschiedene weitere Gebäude. Nach rund drei Stunden sind wir an der Grenze unserer Aufnahmefähigkeit. Und wir sind glücklich, nicht mehr in der damaligen harten Zeit zu leben.








Unser nächstes Ziel ist die Kleinstadt Miramichi, deren Name indianischen Ursprungs ist. Der Ort liegt am gleichnamigen Miramichi-Fluss. Es ist unglaublich, welch einseitige Ess(un)kultur hier zelebriert wird. Von über zwanzig "Verpflegungsstellen" gibt es im Zentrum des Orts keine, welche nicht auf trockene Pizzas, fetttriefende Hamburger oder Fastfood-Poutine setzt. Letzteres sind Pommes frites mit Käse und einer braunen Sauce drüber, welche es in verschiedensten Schattierungen gibt. Nach ausgiebiger Suche im Internet finden wir schlussendlich ein Restaurant, welches diese Bezeichnung auch verdient. Dieses Lokal 1809 am Fluss ist auch unser Ausgangspunkt für einen Bummel dem Strand entlang. Wir besuchen den Waterford Green Park und ein Infozentrum, wo wir Unterlagen für die nächste Reiseetappe erhalten. Eine imposante Brücke verbindet die beiden Flussufer von Miramichi. Für die Überlandstrassen wurde eine weitere Brücke von rund 1 km Länge über den Fluss gespannt.







Am nächsten Morgen guckt der Vollmond bereits vor der Sonne durch unser Fenster und verstärkt so die ebenfalls runden Hotellampen. Für die Weiterreise nach Dorchester wählen wir nicht den direkten Weg, sondern einmal mehr die Uferroute, welche mit einem Seestern beschildert ist. So durchqueren wir die Miramichi Bay und die Bay du Vin. In Escuminac werden Fische und Meeresfrüchte gehandelt. Nach Pointe-Sapin beginnt der Kouchibougnac Nationalpark. Dieses Gebiet soll zwar reich an Tieren sein, doch wir sehen davon nichts, da wir auf eine Wanderung in die ausgiebige Einsamkeit der Wälder verzichten. Der Park macht mit seinen Informationstafeln und Wegweisern einen ziemlich vernachlässigten Eindruck. Die Natur soll vor uns deshalb ihre Ruhe haben.









Nach dem Strand von Richibucto erreichen wir wieder die Schnellstrasse 11 Richtung Moncton. Wir umfahren diese Stadt und erreichen am frühen Nachmittag das Maplehurst Manor B&B in Dorchester, wo uns die sehr gastfreundliche Holländerin Marisca begrüsst. Eine Wanderung durch die kleine Ortschaft zeigt uns rasch die Limite des heutigen Ausgangs auf. Nach dem Erkunden der nahen Ried- und Moorlandschaft fahren wir ins 13 km entfernte Sackville, um uns im Restaurant "The Painted Pony" mit einem garnierten Salat zu verpflegen. Danach suchen wir die Vogelbeobachtungsstation Johnson's Mills" am Strand von Dorchester auf. Im "Interpretation Center" lesen wir auf Tafeln, dass hier rund etwa 30 % aller Sandstrandläufer (Calidris pusilla) weltweit auf ihrem Zug aus dem arktischen Gebiet nach Südamerika eine Rast einschalten. Es sollen zeitweise bis zu 150'000 Tiere von verschiedenen Limikolenarten zu sehen sein. Doch leider kann man sie nur bei Flut beobachten, wenn sie zum Ufer kommen, um sich zu ernähren. Wir stehen um 19:00 Uhr am Strand, die nächste Flut kommt um 01:00 Uhr und morgen Vormittag ist wieder Ebbe. Etwas enttäuscht finden wir uns mit der Tatsache ab, dass der einzige fotogene Sandstrandläufer aus Plastik vor dem Gemeindehaus die Gäste begrüsst.













Wir möchten die Watvögel jedoch unbedingt sehen und beschliessen deshalb am folgenden Tag, die Zeit bis zur nächsten Flut um 12:00 bis 14:00 Uhr in der Region zu überbrücken. Wir fahren dazu nochmals nach Sackville, wo wir den Waterfowl Park aufsuchen. Es handelt sich dabei um einen grossen Weiher, welcher als Naturpark gestaltet wurde. Der Rundweg besteht grossenteils aus einem schön angelegten Holzsteg. Wir wandern dort durch ein Meer von Rohrkolben und Laichkräutern und beobachten Enten und Mücken. Gegen letztere können wir uns glücklicherweise mit einer Anti-Crème verteidigen.











Bereits am Morgen beschlossen wir, den Vogelbeobachtungspunkt Johnsons' Mills nicht von Dorchester her, sondern auf der Strasse 935 von Sackville her anzufahren. Auf der Karte sieht diese Strasse dem Cumberland Basin entlang sehr kurzweilig und attraktiv aus. Die Distanz scheint uns in etwa gleich gross zu sein. Nach einigen Kilometern wird diese Strasse jedoch zu einer engeren Naturstrasse. Es gibt hier kaum noch Häuser, doch Google Maps bleibt stur. Nach dem Passieren von Rockport wird die Sandstrasse zu einem Schotterweg. Wir wenden schlussendlich in einer Sackgasse. Immerhin steht hier noch ein Gedenkstein! Wir fahren einige Kilometer bis zu einer schlecht markierten Wegverzweigung zurück und folgen mit mulmigem Gefühl dieser staubigen Naturstrasse bis zum Beobachtungspunkt für die Sandstrandläufer und andere Limikolen. Nachdem wir so über eine Stunde Umweg gemacht haben, empfängt uns eine Rangerin und zeigt uns einen Vogelschwarm, welcher mit dem vom ihr aufgestellten Fernrohr gerade noch erkannt werden kann. Die Natur ist eben unberechenbar und schont auch Biologen nicht! Wir steigen in unseren Mietwagen und starten Richtung Nova Scotia.































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