7. Am Saguenay Fjord
Die Stadt Saguenay ist mit rund 140'000 Einwohnern die nördlichste Stadt Québecs. Der Ort wurde erst 2002 aus drei Arrondissements zusammengeschlossen. Das indianische Handelszentrum Chicoutimi nimmt dabei den grössten Platz ein. Die Region bietet Arbeitsplätze in der Papier- und Aluminiumindustrie. Der Ortsteil, in welchem wir logieren, liegt am Saguenay Fjord, einem langgezogenen Ausläufer des Sankt-Lorenz Stroms, welcher nach rund 130 km östlich bei Tadoussac in den Strom und Meeresarm von St. Lorenz mündet. Der zweite Ort mit dem einheimischem Namen Baie des Ha! Ha! dient als Hafen für die grossen Frachter aus dem Atlantik. Am Rivière aux Sables liegt als drittes das Arrondissement de Jonquière, unser heutiges Ziel. Nach dem Einkaufen können wir das Frühstück im Freien noch im Trockenen einnehmen. Wir hören den ersten Goldspecht rufen, dessen Gesang mittels der App BirdNET bestätigt wird. Gleichzeit macht uns auf dem benachbarten Baum ein Kleinspechtweibchen seine Aufwartung. Bald beginnt es stark zu regnen. Wir entschliessen uns deshalb, uns der Kunst zu widmen und fahren zum Centre culturel du Mont-Jacob in Jonquière. Eine Ausstellung in vier verschiedenen Räumen ist eine lohnende Wahl. Besonders angesprochen fühlen wir uns von den Tracés de voyages, den kollektiven Werken von Abenteurer Ugo Monticone, der Künstlerin Isabelle Gagné und Dichter und Musiker Marc Sauvageau. Ihre Werke sind unterschiedlichen Destinationen gewidmet, von welchen wir viele schon besucht haben. Sie sind auf faszinierende Art als komplexe Bilder gestaltet.
In den weiteren Sälen findet man die geometrischen Werke mit unterschiedlichsten Materialien von France Goneau (Keramikskulpturen) und Esther Chamont (Fotografie). Originelle Gebilde aus allerlei Werkzeugen werden von Carole Baillargeon gezeigt. Die Theaterpuppen von Noémi Belanger wurden vorwiegend aus Filz hergestellt. Sie verwandeln sich mit Hilfe aus dem Hintergrund zu lebensechten Marionetten.
Nachdem der Regen eine kurze Pause einlegt, besuchen wir das Zentrum von Jonquière. Die 150 Jahre alte, eindrückliche Kirche ist leider bereits verriegelt, obwohl es heute Sonntag ist. Die beiden Ufer des Rivière aux Sables sind mit zwei Brücken und einem schönen Fussweg verbunden, welchen wir trotz garstigem Wetter geniessen. Die Spiel- und Liegeplätze sind jedoch (fast) verwaist.
Der Wettergott meint es heute besser mit uns. Wir fahren in Saguenay ins Arrondissement La Baie. Die Bucht mit dem lustigen einheimischen Namen La Baie des Ha! Ha! hat nichts mit Lachern zu tun. Die Küste macht bei Ebbe einen eher ernsten Eindruck. Trotzdem gibt es am Strand Badegäste. Wir besuchen den Ort und dessen Verkehrsbüro.
Der kilometerlange Wanderweg Eucher führt von Anse à Benjamin im Wald drin der Küstenlinie entlang. Doch die Sonne heizt ein und die grosse Luftfeuchtigkeit macht uns zu schaffen. Wir fühlen uns wie im tropischen Regenwald! Der glitschige Weg führt über Stock und Stein, bergauf und bergab. Nachdem wir nach knapp einem Kilometer das Wasser der Buch in der Ferne erstmals sehen, sind wir mit uns zufrieden und kehren um. Im Garten unserer Unterkunft geniessen wir den Rest des Sommertages.
Heute fahren wir auf der Nordseite dem Saguenay Fjord entlang bis Tadoussac. Am Beobachtungspunkt Saint Fulgence wollen sich bei regnerischem Wetter zu unserer Enttäuschung keine Limikolen zeigen lassen. Wir fahren bald darauf auf einer Stichstrasse nochmals Richtung Fjord, diesmal zum Cap au Leste. Auf der etwa 10 km lange Naturstrasse legen wir eine eigentliche Berg- und Talfahrt zurück. Wir beginnen bereits an unserem Orientierungssinn zu zweifeln, da finden wir an deren Ende ein Viersterne-Hotel. Es ist hier ideal zum Beobachten von Walen im Fjord, zum Wandern und zum Nichtstun. Neben dem Hotel hat es alte Häuschen, welche zu Ferienunterkünften umgebaut wurden.
Den nächsten Stopp machen wir im "Schönsten Dorf der Region" (= Version von Einheimischen), in Sainte-Rose-du-Nord. Eine Stichstrasse südlich der Fjordstrasse 172 führt bis zum Passagierhafen am Saguebay Fluss. Hier locken mehrere Lokale die Touristen mit Schmuck, Kleidern sowie mit Ausflugs- und Essensangeboten. Via Baie Sainte Marguerite und dem Ort Sacré Coeur erreichen wir schliesslich Tadoussac an der Mündung des Saguenay Fjords in die St. Lorenz Bucht, welche hier 24 km breit wird. Unsere Unterkunft heisst "Au Cachalot Caché le gîte Hôtel" (frei übersetzt: Der versteckte Buckelwal in der Hütte). Der Eigentümer Bruno und seine Frau Guylaine haben die Liegenschaft mit sehr viel Flair und Liebe zum Detail in 7 Jahren selbst erbaut. Die unregelmässig angeordneten Holzschindeln wurden alle in Handarbeit hergestellt und rot gefärbt. Wir fühlen uns hier sehr willkommen und in einem weiteren kleinen Paradies.
Der Ort Tadoussac hat zwar nur etwa 800 Einwohner, doch er ist sehr touristisch, denn hier sei der beste Walbeobachtungspunkt der Welt. Vorerst beeindruckt das Dorf durch sein imposantes Hotel Tadoussac und die Kirche mit einem eigenwilligen Baustil. Das Wetter bessert sich rasch. Am Strand liegen Badegäste und spielen Kinder. Doch man muss dabei sehr vorsichtig sein, denn zwischen Ebbe und Flut liegen runde 4 Meter Differenz. Das Museum CIMM (Centre d'interpretiation des mammifères marin) orientiert über die Meeressäuger, mit Schwerpunkt der hier häufig anzutreffenden Belugawale. Nach einem Besuch des Bootshafens knurrt unser Magen. Wir wissen dem jedoch abzuhelfen!
Da die grauen Wolken am nächsten Morgen eine Wasserwand ankünden, entscheiden wir uns für den Besuch im Meeressäugermuseum von Tadoussac. Dieses Museum ist sehr sehenswert. Es zeigt die Dimensionen der riesigen Skelette und ist didaktisch interessant gestaltet. Die vielen Walarten, welche im Fjord und im St. Lorenzstrom leben, werden eindrücklich dargestellt. Von besonderer Bedeutung ist eine Gruppe von sonst arktischen weissen Belugawalen, welche sich in den Gewässern bei Tadoussac ganzjährig wohl fühlt. Bald fällt im ganzen Museum wegen des Gewitters längere Zeit der Strom aus. Wir orientieren uns mit den Handy-Taschenlampen und verschieben den zweiten Teil unseres Besuchs mit demselben Eintrittsbillet auf den Nachmittag, als die zweite Regenfront eintrifft.
Am Nachmittag wird es (vorerst) recht sonnig, sodass wir uns auf den Rundweg Sentier de la Pointe begeben, welcher sich für die Beobachtung von Belugawalen besonders gut eignet. Tatsächlich sieht Rigette eine Belugamutter mit ihrem Zögling! Der 800 m lange Weg gibt jedoch auch sonst viel her. So sehen wir die Fähren über den Sagueneay Fjord, welche wir morgen benutzen werden. In den Waldpassagen findet man schöne Bartflechten und wilde Beeren. Die Aussicht auf den Saguenay Fjord (mit über 100 km der längste Fjord der Welt!) und auf den St, Lorenzstrom ist einmalig. Da sich hier das Süsswasser des Flusses mit dem Salzwasser des Stroms zu Brackwasser vereint, gibt es darin besonders viel Nahrung für Meeressäuger. Diese wissen dies zu schätzen.
Vor der Fähre stauen sich die Autoschlangen (fast) wie bei uns zur Ferienzeit vor dem Gotthardtunnel. Wir sind also vorgewarnt. Nach dem nochmaligen Besuch des Museums besuchen wir die erste protestantische Kapelle der Region, leider nur von aussen. Diese wurde 1866 erbaut, um den damaligen Feriengästen aus den USA im sonst katholischen Französisch-Kanada den Besuch des neu errichteten Tadoussac-Hotels möglichst mit ihrem Gewissen vereinbar zu machen. Die Zeiten ändern sich - und wir mit ihnen.
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